Pınar Selek
Pınar Selek Du’da
13.1.2010


İsviçre’nin önemli kültür-sanat dergilerinden biri olan Du, Ocak-Şubat-Mart 2010 sayısında Pınar Selek’le mağdur kimliğine karşı verdiği mücadele üzerine söyleşi yaptı. Selek’in Amargi Feminist dergide çıkan ve daha sonra Almanca’ya çevrilip  “WIR Frauen“ adlı feminist dergisinde yayınlanan “Mağduriyet Politikası ya da Özgürlük“ yazısından çıkış alan söyleşiyi, yazar, etnolog ve gazeteci David Signer gerçekleştirdi.
Signer, röportajdan önce de Pınar Selek’in İsviçre’nin Zürih kentinde katıldığı bir panelin moderatörlüğünü yapmıştı. Söz konusu  panelde „mağduriyet politikası“ üzerine bir sunum yapan Selek, bir sosyolog, yazar  ve feminist-aktivist olarak yaşadığı sıkıntılara rağmen özgürlük mücadelesini nasıl sürdürdüğüne dair deneyimini anlatmış ve ilgi toplamıştı.  
Zurih

„Ich will nicht als Opfer gesehen werden“


Pinar Selek ist in der ganzen Türkei berühmt und gefürchtet als streitbare Autorin, Soziologin und Journalistin. 1999 wurde sie angeklagt, auf einem Istanbuler Markt eine Bombe gelegt zu haben, wurde gefoltert, zweieinhalb Jahre lang inhaftiert und schliesslich freigesprochen. Nun soll der Prozess wiederaufgenommen werden. Im Interview spricht Selek über die Umstände, die zur Anklage führten, ihre Erfahrungen im Gefängnis und ihre Schwierigkeiten mit dem europäischen Feminismus.


David Signer


Die türkische Schriftstellerin, Soziologin und Journalistin Pinar Selek, 38, hat sich einen Namen gemacht als Kämpferin für die Sache der Kurden, der Strassenkinder, der Frauen, der Homo- und Transsexuellen. Für heftige Diskussionen sorgte insbesondere ihr 2008 erschienenes Werk über die Armee als „Lehranstalt der Männlichkeit“, das demnächst unter dem Titel „Zum Mann gehätschelt, zum Mann gedrillt“ auf Deutsch erscheint. 1999 wurde Selek angeklagt, im Namen der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in einem Istanbuler Markt eine Bombe gelegt zu haben; eine Explosion hatte sieben Tote und 120 Verletzte gefordert. Selek verbrachte zweieinhalb Jahre in Präventivhaft, wurde gefoltert, jedoch nie rechtsgültig verurteilt. Demnächst kommt der Fall zum dritten Fall vor Gericht. Diese Ankündigung hat weltweit zu heftigem Protest geführt, unter anderem von PEN International, aber auch von bekannten Persönlichkeit wie Noam Chomsky, Claudia Roth, Yasar Kemal und Orhan Pamuk. Selek lebt gegenwärtig als Stipendiatin der Heinrich Böll-Stiftung in Köln. Das folgende Gespräch wurde in Zürich geführt, wo Selek anlässlich des „Writers in Prison“-Tages im November einen Vortrag hielt.


Frau Selek, von aussen gesehen erscheint es absurd, dass man in der Türkei einer etablierten Soziologin wie Ihnen seit Jahren einen Bombenanschlag in die Schuhe zu schieben versucht. Wie kam es dazu?

1998 wurde ich in Istanbul verhaftet, während ich an einem Buch über die Kurdenfrage arbeitete. Ich hatte während meiner Recherchen mit zahlreichen militanten PKK-Mitgliedern im In- und Ausland gesprochen, und die Polizei wollte Namen, Aufenthaltsorte etc. von mir. Darum ging es; die Bombe brachten sie erst später ins Spiel. Alle meine Manuskripte und Kassetten wurden beschlagnahmt. Ich hatte schon vorher mit ausgeschlossenen Minderheiten gearbeitet: Strassenkindern, Bettlern, Zigeunern, Sexarbeiterinnen, Homo- und Transsexuellen, und es gehörte für mich zur selbstverständlichen Berufsethik als Soziologin und Journalistin, meine Quellen zu schützen. Mein Zugang zur PKK war kritisch, aber zugleich sachlich in einem wissenschaftlichen Sinne. Meine Forschung fiel in eine sehr nationalistisch-militaristische Periode, als die Türkei versuchte, den PKK-Anführer Abdullah Öcalan zu fangen, was ihnen kurz darauf auch gelang. Das wusste ich damals noch nicht, aber diese Ermittlungen waren vielleicht auch ein Faktor für meine Verhaftung.

Man versuchte dann, diese Informationen mit Gewalt aus Ihnen herauszupressen, nicht wahr?

Ich sass mit dem Uniformierten in einem Raum. Während er meine Manuskripte las, sah ich, wie er immer wütender wurde. Nachdem sie mit der Folterung begannen, überlegte ich, wie ich das überstehen könnte. Ich setzte mir immer wieder eine Frist von zwei Minuten. Ich sagte mir: Noch zwei Minuten lang werde ich nichts mitteilen. Und dann gab ich mir weitere zwei Minuten. Und dann dachte ich: Komm, zwei weitere Minuten hältst du noch durch. Ich wusste: Würde ich die Namen herausrücken, könnte ich nie mehr in meinen Domänen weiterforschen, mein Ruf wäre ruiniert, ich wäre ein Risiko für die Leute. Normalerweise ist der Polizeichef bei diesen Verhören nicht anwesend. Aber weil meine Augenbinde verrutschte, als ich mit den Händen auf dem Rücken hochgezogen wurde, sah ich, als er hereinkam. Er sagte: „Du willst also eine Friedensheldin sein?“ und schlug mich ins Gesicht. Dann wurden sie immer brutaler. Sie kugelten mir die Schulter aus, und dann mit Gewalt wieder ein. Sie machten ihre Arbeit allerdings schlecht und mussten schliesslich einen Arzt rufen. Sie versuchten es mit Versprechen, und als auch das nicht nützte, verpassten sie mir Stromstösse am Kopf. Schliesslich verlor ich das Bewusstsein.

Wie entkamen Sie dieser Hölle?

Mein Vater, ein bekannter Anwalt, erfuhr von meiner Verhaftung und schaltete sich ein. Er hatte früher schon diverse Polizisten wegen Folter hinter Gitter gebracht. Er riet mir, noch zwei Tage durchzuhalten und nichts zuzugeben. Das fiel ihm sicher nicht leicht, er liebt mich. Aber ich teilte ihm nicht alles mit, was sie mir angetan hatten. Nach ein paar Tagen sagten mir die Polizisten: „Wir haben keine Informationen bei dir gefunden, aber eine Bombe in eurem Zentrum.“ Damit war ein Haus für Strassenkinder, Transvestiten und andere sozial Ausgeschlossene gemeint, das ich eröffnet hatte. Sie warfen mich also ins Gefängnis unter dem Vorwand, ich hätte von der PKK eine Bombe erhalten, die ich in der Werkstatt dieses Hauses versteckte. Zugleich versprachen sie mir, all das würde vergessen, wenn ich nur endlich die gesuchten Informationen herausrückte. Zwei Wochen später konnten meine Anwälte nachweisen, dass die Bombe, die ich angeblich versteckte, bereits einige Zeit vorher woanders gefunden worden war. Ich ging davon aus, dass ich innert einiger Tage entlassen werden würde, insbesondere auch, weil es überall Solidaritätsveranstaltungen gab.

Erst an diesem Punkt brachte die Polizei die Explosion auf dem Istanbuler Gewürzmarkt ins Spiel?

Ja, es war ein idealer Vorwand. Die Gutachter waren ja längst zum eindeutigen Resultat gelangt, dass es ein Unfall war. Eine Gasflasche war explodiert. Aber dann wurde plötzlich ein Junge vorgeführt, der behauptete, es sei einen Bombenanschlag gewesen, den er mit mir zusammen ausgeübt hätte. Überall erschien mein Bild. Die ursprüngliche Verhaftung wuchs sich also zu einer grossen Geschichte aus, die mich nun seit zwölf Jahren in Beschlag nimmt. Die Spurensuche ergab eindeutig, dass es sich um eine defekte Gasflasche gehandelt hatte, und beim besagten Jungen stellte sich später heraus, dass er kein PKK-Kämpfer war, sondern einfach jemand vom Markt, und er gab selber zu, unter Folter ausgesagt zu haben. Das Deprimierende war, dass mein Leben als Intellektuelle völlig überdeckt wurde vom Kampf gegen diese Anschuldigungen. Ich riskierte, nicht mehr als Autorin wahrgenommen zu werden, sondern nur noch als die Frau, die möglicherweise diese Bombe gelegt hatte. Aber dann solidarisierten sich sehr viele, sehr unterschiedliche Gruppen mit mir, und der Prozess wurde zu einem Symbol für den Kampf um Demokratie. Ich wurde freigesprochen, im Dezember 2000 kam ich nach zweieinhalb Jahren Präventivhaft frei. Doch 2005 wurde das Verfahren von einer höheren Instanz wieder eröffnet, man forderte eine Gefängnisstrafe von 36 Jahren. Wiederum sprach man mich im Jahr darauf frei, und auch die Ausreisesperre wurde aufgehoben. Aber nun wird der Prozess von einer weiteren Instanz aufgerollt. Dieses Mal fordern sie lebenslänglich. Anfang 2010 ist Prozesseröffnung, aber man weiss nie genau, wann. Das gehört zur Zermürbungstaktik.

Es gibt viele kritische Intellektuelle in der Türkei, auch solche, die mit der PKK zu tun haben, aber es ist einzigartig, dass man versucht, einer Autorin ein Bombenattentat unterzuschieben. Wie erklären Sie sich diese besonders aggressive Reaktion auf Ihre Person?

Diese Frage wurde in der Türkei auch häufig diskutiert. Wäre ich Kurdin gewesen, hätte das das Regime weniger gestört. Aber ich bin eine Akademikerin, habe in Ankara und Paris studiert, eine Intellektuelle, die Zugang zu den Medien und Universitäten hat, und zugleich bin ich Aktivistin. Dadurch war es nicht einfach, mich in eine radikal-kriminelle Ecke abzuschieben. Vielleicht ging es auch um Sippenhaftung; meine Familie war dem Regime seit langem ein Dorn im Auge. Mein Grossvater war ein linker Abgeordneter, mein Vater sass wegen Regimekritik selber fünf Jahre im Gefängnis. Sicher sollte an mir auch ein Exempel statuiert werden, als Warnung an andere Intellektuelle. Man versuchte mich auch speziell als Frau zu treffen, durch sexuelle Belästigung oder indem man behauptete, ich sei die Geliebte von Öcalan.

Wie war die Zeit im Gefängnis?

Ich teilte die Zelle mit siebzig Frauen. Sie waren sehr nett. Es war ihnen wichtig, dass ich schreiben konnte. Nachts bauten sie mir mit Tüchern eine Art Zelt, so dass die Wächter nicht bemerkten, dass da Licht brannte. Ich schrieb drei Bücher während meiner Haft, konnte jedoch nur eines retten und publizieren, „Barisamadik“, über gewalttätige Tendenzen in der türkischen Linken.

Wie haben Sie das Manuskript hinaus geschafft?

Als wir entlassen wurden, musste ich meine ganze Habe in einen Sack aus Plastik stopfen, den ich den Soldaten aushändigen musste. Sie sagten, sie würden es mir beim Ausgang zurück geben. Dort wurde allen Gefangenen ihr Gepäck überreicht, bloss mein Sack fehlte. Es war schrecklich. Das dritte Manuskript allerdings hatte ich vergessen. Beim Hinausgehen sagte mir eine Mitgefangene: „Du hast dein Notizbuch auf dem Bett vergessen, ich werde es einstecken und für dich mitnehmen.“ So wurde es gerettet.

Wie gestaltete sich Ihr Leben nach der Freilassung?

Neben „Barisamadik“ publizierte ich ein Buch über die Gewalt gegen Transsexuelle und Tranvestiten, fungierte als Herausgeberin und Übersetzerin eines Bandes mit Texten von Subcomandante Marcos, verfasste zwei Kinderbücher, gründete die Frauenorganisation „Amargi“, die auch zahlreiche Bücher und ein Magazin herausgab und war in der Friedensbewegung aktiv. Ich mache keinen Unterschied zwischen meiner Existenz als Intellektuelle und meiner Existenz als Aktivistin. Hier in Europa sind die Bereiche schärfer getrennt als in der Türkei. Ich lebe einfach, und da gehören sowohl Denken als auch Bewegung dazu.

Und dann kam Ihr Buch über die Armee.

Es erschien in einem bekannten Verlag und war ein grosser Erfolg. Dauernd war ich am Fernsehen. Ich sprach in diesem Buch als Feministin darüber, wie schwierig und auch entwürdigend es ist, zum Mann zu werden. Es gab natürlich heftige Diskussionen, aber im allgemeinen wurde es erstaunlich positiv aufgenommen. Allerdings erhielt ich auch anonyme Anrufe, Drohungen.

Dachten Sie da schon daran, ins Exil zu gehen?

Oft wurde mir von Freunden nahegelegt, ins Ausland zu gehen, insbesondere im Jahr 2007 nach der Ermordung des bekannten armenischen Schriftstellers Hrant Dink, eines engen Freundes von mir. Aber ich wusste, dass man mich kriminalisieren, marginalisieren, ausgrenzen wollte. Es hätte ihnen gepasst, wenn ich ins Exil gegangen wäre, und diesen Gefallen wollte ich ihnen nicht tun. Es ist gut, vorübergehend etwas Ruhe zu finden in Europa, Freiraum zum Schreiben zu haben, nicht dauernd an dieses Damoklesschwert eines neuerlichen Prozesses denken zu müssen - aber ich werde zurückkehren.

Wie werden Sie hier aufgenommen, wie empfinden Sie die politischen oder feministischen Bewegungen im Vergleich zur Türkei?

Vor drei Jahren nahm ich in Italien an einer feministischen Konferenz zum Thema Gewalt teil. Es fiel mir auf, dass sich alles darum drehte, was wir Frauen erleiden. Es ging darum, Opfergeschichten auszutauschen, sich miteinander zu solidarisieren und dadurch Erleichterung zu empfinden. Aber nicht, ernsthaft etwas gegen Gewalt zu unternehmen. Ich wollte ein Referat halten zur Frage, warum es der feministischen Bewegung nicht gelingt, eine wirksame Haltung gegen Kriege zu entwickeln. Aber man verlangte stattdessen von mir, darüber zu sprechen, auf welche verschiedenen Arten türkische Frauen benachteiligt werden.
Man nahm mich in die Arme und sagte mir: „Wir wissen, was du durchmachst... Erzähl uns davon.“ Sie umarmten mich, streichelten mir die Haare, zärtlich, beruhigend. Alles wurde verniedlicht. Ich wollte nicht als Opfer gesehen werden, ich wollte über unsern Kampf reden. Schliesslich führten sie meinen Sturheit auf meinen psychischen Zustand zurück und fragten mich, ob ich „Hilfe“ bräuchte. Hinter dieser angeblichen Solidarität verbirgt sich auch ein Machtgefälle; der Versuch, die Beziehung in eine hierarchische Ordnung zu bringen. Aber auch das Opfer selbst kann einen Gewinn daraus ziehen, wenn es sich mit seinem Opfersein identifiziert und eine Rolle daraus macht, die an das schlechte Gewissen der andern appelliert. Ich möchte nicht generalisieren, aber es gibt diese Tendenzen sowohl bei einem Teil der Feministinnen wie auch bei andern „Engagierten“. Dahinter steht auch eine Weigerung, sich wirklich mit den Erfahrungen des andern zu beschäftigen. Ich möchte aber als denkendes, handelndes Subjekt wahrgenommen werden, und nicht nur als armes Objekt der Repression.
 

Die Schriftstellerin, Soziologin und Journalistin Pinar Selek wurde 1971 in Istanbul geboren. Sie ist die Autorin mehrere Bücher. Das jüngste erschien 2008 und handelt von der türkischen Armee als „Männlichkeitsmaschine“. Es erscheint im März 2010 im Orlanda-Verlag, Berlin, unter dem Titel „Zum Mann gehätschelt, zum Mann gedrillt“.
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Mahkeme Süreci Court Process