Die türkische Soziologin Pinar Selek hat in ihrem Buch »Zum Mann gehätschelt, zum Mann gedrillt« anhand von Interviews untersucht, wie die türkische Armee die männliche Sozialisation prägt. Ihre soziologischen Recherchen und ihr feministisches und antimilitaristisches Engagenment haben die Autorin bereits in große Gefahr gebracht. Sie erhielt zahlreiche Drohungen türkischer Faschisten, und der oberste Gerichtshof der Türkei beschuldigt sie, einen Terroranschlag verübt zu haben.
Interview: Daniel Steinmaier
Der oberste Gerichtshof der Türkei will, dass Sie den Rest Ihres Lebens im Gefängnis verbringen. Warum?
Ich weiß es nicht! (lacht) Ich verstehe einfach nicht, warum sie so starrköpfig sind. Sie haben ein Komplott gegen mich geschmiedet, sie behaupten, ich hätte einen Anschlag verübt. Ich wurde vor vielen Jahren wegen meiner soziologischen Recherchen verhört, und als sie mir nichts Strafbares vorwerfen konnten, haben sie irgendwann jemanden gefunden, der ausgesagt hat, wir hätten gemeinsam eine Bombe auf dem Istanbuler Gewürzbasar gelegt. Vor Gericht hat derjenige seine Aussage zurückgezogen und gesagt, dass ihm das Geständnis unter Folter abgepresst worden sei. Er wurde freigelassen, aber seine durch Folter erpresste Aussage, ich sei an der angeblichen Tat beteiligt gewesen, wurde weiterhin gegen mich verwendet.
Pinar Selek, türkische Soziologin (Foto: Orlanda Verlag)
Und warum hat man dieses Komplott gegen Sie geschmiedet?
In der Türkei wird viel über meinen Fall und diese Frage diskutiert. Die liberaleren Türken und die Linken sind ja auf meiner Seite, viele wissen, dass ich Opfer der Justizwillkür hin. Ich bin keine Kurdin, ich komme aus einem intellektuellen und politisch aktiven Milieu, ich habe sehr viele verschiedene Sachen gemacht, und man kennt mich deshalb sehr gut in der Türkei. Ich habe über die PKK recherchiert. Man hat mich deshalb verhört und wollte, dass ich Namen ausplaudere, ich wurde gefoltert. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie ich der Folter widerstanden habe. Vielleicht, weil ich ich als Soziologin immer auf Seiten der Ausgeschlossenen und Unterdrückten stand und konkrete Recherchen über Delinquenten, Sexarbeiterinnen etc. gemacht habe. Hätte ich der Polizei Namen genannt, hätte ich es vergessen können, auf diese Art weiterzuarbeiten.
Nachdem ich einen Monat im Gefängnis saß, hieß es dann, ich hätte der PKK geholfen. Ich habe dann in den Fernsehnachrichten gesehen, dass ich eine Bombe auf dem Markt in Istanbul gelegt haben soll. Natürlich konnten sie das nicht belegen, später hieß es, bei der angeblichen Bombe auf dem Markplatz habe es sich in Wirklichkeit um eine explodierte Gasflasche gehandelt. Nach zweieinhalb Jahren kam ich aus dem Gefängnis. Wenn ich danach stillgehalten hätte, hätte die Sache vielleicht damit ihr Bewenden gehabt, aber ich habe mich weiterhin als Antimilitaristin und Feministin engagiert. Wahrscheinlich hat man mich ausgewählt, um an mir ei